Der letzte Ausflug

Direkt vor der Haustür liege ich, um auf dich zu warten! Auf dich, meinen Menschen! 

 

Ich versuche deine Schritte vor der Tür zu achten und zu hören, wann du wieder zu mir nach Hause kommst. Leider höre ich nicht mehr so gut und bin oft einfach so müde.  Heute höre ich wieder nicht, dass du die Tür aufschließt. Du kommst schwungvoll in unsere Wohnung und mit voller Kraft bekomme ich die schwere Haustür in den Rücken. Das tut weh,…. Und trotzdem möchte ich schnell aufstehen, um dich zu begrüßen. Nur kann ich leider nicht. Meine Beine wollen direkt nach dem Wachwerden einfach nicht so wie ich es möchte.

Also bekomme ich die Tür in den Rücken. Wusstest du, dass ich da liege? Vielleicht hättest du es wissen können. Du hättest die Tür langsam öffnen können. Ich liege schon mein ganzes Leben lang an diesem Platz, damit ich mitbekomme, wann du wieder nach Hause kommst. 13 Jahre schon liege ich vor der Haustür und warte auf dich. Also, wusstest du, dass ich da liege? Ja. 

Da ich aber ein Hund bin, dein Hund, ist das Wissen und dieser Gedankengang gar nicht in meinem Kopf. Ich freue mich einfach sehr dich zu sehen und möchte so schnell wie möglich aufspringen, um dich zu begrüßen und um dir zu zeigen, wie sehr ich dich vermisst habe.

Weißt du? Wir Hunde schütten die gleichen Hormone aus, wenn wir uns freuen, wie ihr Menschen, wenn ihr frisch verliebt seid. Jeden Tag aufs Neue.  Dementsprechend ist meine Freude auch nach 13 Jahren noch groß, denn die liebe eines Vierbeiners verschwindet nie.

 

Leider erkennst du meine Freude schon lange nicht mehr und schiebst mich genervt an die Seite. Immerhin hattest du einen langen Tag und möchtest jetzt deine Ruhe. Und dann, dann siehst du "es"! Ich habe mich so sehr gefreut, dass mir ein kleines Missgeschick passiert ist. Ja, ich bin leicht inkontinent und wenn ich mich so sehr freue, dann geht auch schon mal etwas schief und Urin landet, anstatt im Garten, auf den Fliesen. Genervt schreist du mich an, ich solle mein Geschäft draußen erledigen. Hätte ich, wenn du nicht 11 Stunden weg gewesen wärest und ich raus gekonnt hätte. Hätte ich, wenn ich wie früher mit zur Arbeit gekonnt hätte und wir im Mittag gemeinsam raus gegangen wären. Ich hätte es getan! Ich hätte,…. aber mit zur Arbeit darf ich schon lange nicht mehr. Ich sehe nicht mehr so dekorativ aus wie früher. Anstatt anerkennende - erntest du eher mitleidige Blicke. 

Klar denn bin ich mittlerweile zotteliger und haariger – ich bin eben alt. Meine Augen sind bläulich und milchig, mein Atem war auch mal besser, ich bin eben alt! Ich liege des Öfteren im Weg und springe nicht mehr ständig auf, ich kann es einfach nicht. Wie schon erwähnt ....bin ich alt. Also muss ich zu Hause bleiben... so lange, dass mir ein Missgeschick passiert, wenn ich mich freue und du mich dann anschreist.

Ich verstehe nicht, was du sagst, aber ich bekomme mit, wie sich deine Ausstrahlung verändert, bedrohlich wird und mir Angst macht. Ich kann mich nicht mehr bewegen... Mein Instinkt sagt mir, bleib stehen und zeig dich demütig. Also stehe ich mitten im Eingang und warte bist du ruhiger wirst. Leider stehe ich dir immer noch im Weg und ich muss immer noch nach draußen. Du schiebst mich genervt noch weiter an die Seite. Meine Beine wollen nicht so, wie ich es will, ich kann mich nicht mehr halten und,… ich stürze….

Da passiert es: Meine überfüllte Blase leert sich komplett - im Flur. Oh, oh...

Verzweifelt bleibe ich liegen und zeige mich unterwürfig. Ich bewege mich nicht, lecke mir die Nase, um zu zeigen, dass ich dir nichts Böses will. Es war nicht mit Absicht. Ich bin alt. 

 

Polternd holst du einen Lappen, um mein Missgeschick weg zu wischen. Dabei hast du immer noch diese negative Ausstrahlung, die mir gar nicht gefällt. Um zu erfahren, was diese Stimmung auslöst, laufe ich dir hinterher. 

Vielleicht muntert dich das wieder auf?  Natürlich bekomme ich nicht mit, wenn du dich hektisch umdrehst, und wieder stehe ich dir im Weg. Ach,… was würde ich nur dafür geben, dass alles wird wie früher.? Dass du mich wieder lieb hast, dass du mich streichelst, dass wir wieder zusammen auf dem Teppich liegen und kuscheln, Abenteuer erleben,…. 

 

Kopfschüttelnd nimmst du meine Leine von der Garderobe, legst mir das Halsband um und wir gehen raus. Juhuuuu, endlich meine Hunderunde- denke ich und freue mich. Gemeinsam gehen wir zum Auto. Anscheinend fahren wir auch noch wo anders hin zum Laufen. Ich bin hin und weg vor Freude und zeig dir das auch, indem ich laut Belle. Du schreist mich an, ich soll ruhig sein.

Schon lange darf ich nicht mehr bellen, um dir zu zeigen, wie ich mich freue. Genervt hebst du mich in den Kofferraum, auch das kann ich nicht mehr allein.

 

Nach einer kurzen Fahrt hält das Auto an. Sind wir schon da? Gehen wir jetzt gemeinsam eine Runde, entdecken die Welt und lernen neue Hunde und Herrchen kennen? Gespannt sitze ich da, aufgeregt wedelt meine Rute hin und her. Der Kofferraum öffnet sich und weil ich mich so freue, springe ich allein raus. Aua, das tat weh, aber egal. Auf geht's zu einem neuen Abenteuer. Da rieche ich es! Es riecht streng, obwohl wir draußen sind. Es riecht nach anderen Hunden und ich kann die Angst der anderen förmlich auf meiner Zunge schmecken.

Hier will ich nicht sein ich drehe mich um. Du bist wieder genervt und ziehst mich weiter. Ich will nicht und versuche dir zu zeigen, dass es hier gefährlich ist, dass auch andere hier große Angst hatten. Es ist bedrohlich hier. Angestrengt versuche ich dich in eine andere Richtung zu ziehen, belle, um mein Anliegen zu verdeutlichen. Doch du sagst nur: "Gleich hast du es hinter dir" und tätschelst mir achtlos den Kopf. Würde ich dich verstehen, hätte ich mich gefragt, was das zu bedeuten hat – „hinter dir“. Aber ich verstehe dich nicht und du bist entschlossen dorthin zu gehen. Also folge ich dir, folge dir, weil ich es immer getan habe und wir zusammengehören. Du und ich! Vielleicht bekomme ich doch noch meinen erwarteten Spaziergang, wenn ich dir nur artig folge. Ich gebe auf und laufe mit dir mit. Du wirst schon wissen, was wir machen, du bist der Chef. Der Chef..., du warst auch mal mein Freund, jemand der mich versteht, mich liebt und Freude mit mir hat.

 

Wir stehen vor der Tür, der Geruch und auch mein komisches Gefühl werden stärker. Mein Vertrauen zu dir ist stärker und ich komme mit. Eine Frau macht uns auf. 

Du reichst ihr die Leine mit den Worten: „Hier der ist fertig mit seinem Leben". Die Frau antwortet, dass ich ja noch ganz gut aussehe und fragt, ob ich krank bin. 

„Nein, er ist schon älter und das Ganze nervt." 

Die Frau fragt, ob es mir gut geht.  

Du antwortest: „Nein es geht ihm nicht gut. Er ist alt und kann nicht mehr. Sorgen sie dafür, dass es aufhört".

 

Bin ich nicht eben noch neben dir gelaufen und gesprungen? Klar ich bin alt, aber so alt nun auch wieder nicht!

 

Ohne abzuwarten, gehst du.

Angst und Panik durchfluten mich...

Ein letztes streicheln einer netten Frau...eine nette Stimme die komische Dinge über dich sagt,… 

 

Eine letzte Untersuchung...

Ich dürfte nach Hause, leider haben sie Deine Adresse nicht und keine passenden Daten- trotz Chip.

 

Tierheim, nein zu alt... chancenlos.

 

Etwas sticht mich, Angst, Kälte, Ruhe.... Dunkelheit. ENDE!

 

 

Auch die ältere Hundegeneration hat ein Leben verdient, auch wenn sie manchmal stören. Sie lieben euch noch genauso wie vorher und verstehen eure Veränderung nicht!

 

Denkt daran, Hunde machen nichts mit Absicht!!! Schon gar nicht „ärgern“.